Nach dem Bundesparteitag am Sonntag – eine inhaltliche Zusammenfassung des beschlossenen Programms findet ihr hier und hier – fand am Montag der Parteitag der Bochumer SPD statt. Neben Vorstandswahlen, in denen u.a. Karsten Rudolph als Vorsitzender bestätigt wurde, stand dabei der Besuch von Michael Groschek im Mittelpunkt. In seiner Rede sprach er viele wichtige Punkte an, um die Partei sowohl inhaltlich als auch strukturell neu auszurichten:
- Er warb dafür, die prognostizierten Steuerüberschüsse für zusätzliche Investitionen zu verwenden. Dies bezieht sich sowohl auf den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur als auch auf die Stärkung wichtiger Zukunftsfelder wie der Bildung. Diese müsse von Kita bis zur Meisterschule / Hochschule gebührenfrei bleiben, da dies einerseits Voraussetzung für Bildungsgerechtigkeit sei, andererseits an dieser Stelle besonders (junge) Familien finanziell entlastet würden. Entsprechend kritisierte er das Vorhaben von Schwarz-Gelb, 3.000 Euro Studiengebühren pro Jahr von Bildungsausländern an NRW Hochschulen zu erheben.
- Die Vermögenssteuer sei weiterhin Ziel. Hier gelte es aber verfassungsrechtlich einwandfreie Wege der Erhebung zu finden. Einer Erhöhung der sogenannten „Reichensteuer“ und der Erbschaftssteuer stehe er positiv gegenüber.
- Im Bereich der Sicherheitspolitik erteilte Groschek der Erhöhung des Bundeswehretats auf 2% des BIP eine Absage. Für die Sicherheit Deutschlands kann eine bis an die Zähne bewaffnete Armee nicht sinnvoll sein. Gleichzeit gelte es jedoch sehr wohl danach zu schauen, wo die Ausrüstung der Bundeswehr und der Polizei verbessert werden kann. Für die Sicherheit in unserem Land sei jedoch in erster Linie präventiv anzusetzen und der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt zu stärken. Beachtenswert fand ich anschließend den Hinweis auf die immer noch in Büchel stationierten US-amerikanischen Atomwaffen.
- Die Digitalisierung sei im Sinne sozialdemokratischer Grundwerte zu gestalten. „Ein Kicker im Pausenraum ersetzt keinen Arbeitsschutz.“ Arbeitnehmerrechte müssten neu gefasst und – auch in internationalen Zusammenhängen – durchgesetzt werden. Der Hinweis auf die gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die soziale Spaltung des Landes ebenfalls zugenommen habe.
- Die NRW-SPD müsse sich jedoch auch intern neu aufstellen. Häufig habe sie sich zu weit von den Menschen entfernt. Es sei wichtig, wieder dorthin zu gehen, wo es weh tue. Stimmen die Mehrheitsverhältnisse in den Gremien noch? Die Verteilung zwischen alt und jung, zwischen Frauen und Männern, zwischen Arbeitern, Arbeitnehmern, Beamten und Selbständigen? Die Strukturreformen könnten insgesamt auch zu einem Wegfall von OVs führen, wenn diese zu klein würden und kaum noch Raum für echte Diskussionen .
Nach der Rede ging es dann in die Wahlen: Axel Schäfer sprach zwischen den Abstimmungen noch einen wichtigen Punkt an: den Haustürwahlkampf in der heißen Phase vor der Bundestagswahl. Obwohl die US-amerikanischen Wahlkämpfe der letzten Jahre hier für eine Renaissance sorgen und es natürlich verlockend ist zu schauen, ob man dies nicht auch für sich selbst übernehmen kann, muss man aus meiner Sicht beachten: Ein Haustürwahlkampf ist zunächst vor allen Dingen zeitintensiver. Man läuft von Tür zu Tür, klingelt, wartet bis einem aufgemacht wird, stellt sich schnell vor und versucht, die Überraschung des Besuchten zu überbrücken und das Eis zu brechen. Geht man da von aus, dass man im Durchschnitt grob 5 Minuten pro Besuch (natürlich abhängig von der Siedlung, Uhrzeit etc.) einrechnen kann und vergleicht diese Zahl mit einem günstig positionierten Stand an einer stark frequentierten Straße, in der Nähe von Einkaufsmöglichkeiten oder in der Innenstadt, ist klar, dass hier weniger Kontakte mit potenziellen Wählern pro Stunde möglich sind. Soll das Instrument des Haustürwahlkampfes erfolgreicher sein, muss die Ansprache somit zielgerichteter stattfinden und nicht mehr „per Gieskanne“ erfolgen. In den USA stand den Wahlkämpfern dazu entsprechendes Datenmaterial über die Menschen hinter der Tür zur Verfügung und – fast noch wichtiger – es war bekannt, wer sich als Wähler registriert hatte und wer nicht. Damit war schon vor dem Klingeln klar, zu wem man gehen musste, welche Themen dem Gegenüber wichtig und welche Punkte des Parteiprogramms in den Fokus zu stellen sind. Diese Daten wurden in Apps aufbereitet, die sogar entsprechende Argumente und Begrüßungen vorschlugen. In Deutschland ist dies aus Gründen des Datenschutzes nicht in der gleichen Intensität möglich. Informationen über die Wähler werden werden hier meist durch die Verbindung von Umfragedaten mit geobasierten Daten gewonnen. Vergleichbar hoch aufgelöste Informationen sind daraus nicht zu gewinnen.
Was bedeutet das jetzt für Bochum? Der Haustürwahlkampf ist keine neue Wunderwaffe, sondern kann nur helfen, wenn er entsprechend vorbereitet ist. Was mir ad-hoc hierzu einfällt:
- Eine SPD-Wahlkampf-App lässt noch auf sich warten. (Weiß jemand schon genau, was die App können wird?) Entsprechende Absprachen und eine Infrastruktur, die es zumindest erlaubt, einzutragen, wo man bereits war und wo noch nicht, damit manche Häuser nicht doppelt besucht werden, sind jedoch absolute Voraussetzung.
- Auswahl von geeigneten Wohnvierteln statt Gießkannenprinzip: Lassen sich bereits im Vorfeld die lohnenswerten Straßen eingrenzen. Damit ist nicht gemeint, nur bekannte Sozi-Hochburgen zu besuchen, sondern die Bereiche, wo Wähler vermutet werden, die man im Straßenwahlkampf nicht erreicht.
- Auf einen professionellen Auftritt und auf eine bunte Mischung des Teams achten: Kann es vielleicht bedrohlich wirken, wenn drei großgewachsene Männer klingeln? SPD-Jacken können hier vielleicht sinnvoll sein.
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Weitere Punkten sollten wir auf jeden Fall im Rahmen der Wahlkampfvorbereitungen besprechen.