Éric Vuillard ist dafür bekannt, historische Ereignisse ins Zentrum seiner Erzählungen zu stellen. Sein neuestes Buch, mit dem er den letztjährigen Prix Goncourt gewann, L’Ordre du jour / Die Tagesordnung, spielt in der Zeit vor Ausbruch des 2. Weltkrieges und thematisiert u.a. das Geheimtreffen der deutschen Wirtschaftselite mit Hitler nach der Machtübernahme 1933 sowie die Umstände der Annexion Österreichs.
Statt einer trockenen historisch exakten Darstellung, werden die Ereignisse jedoch romanhaft in eine Erzählung eingebettet. Vuillard gelingt es, die unterschiedlichen Episoden bereits nach wenigen Sätzen mit Leben zu füllen. Diese Erzählform hat einen gewissen Eigenwert. Auch wenn im Buch keine wirklich neuen Erkenntnisse ans Licht gebracht werden, gelingt es auf besonders plastische Weise, in das Geschehene einzutauchen und hinter die Fassade der Geschichtsschreibung zu blicken. Und so werden die Unzulänglichkeiten und Schwächen der vermeintlich Wichtigen und Mächtigen genüsslich seziert, die Propaganda des triumphalen Einmarsches der Wehrmacht wird zum logistischen Desaster.
Auch wenn sich aus Sicht der Geschichtswissenschaft sicherlich die Frage stellen lässt, ob die so präsentierten Anekdoten immer in jedem Detail historisch belastbar sind, wird das Buch zumindest zu keinem Zeitpunkt langweilig und bietet einen interessanten und nahegehenden Eindruck von den damaligen Ereignissen.
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