Bis kurz vor der Finanzkrise ab 2007 bestimmte das Narrativ des „schlanken Staates“ die (wirtschafts-)politische Debatte in den meisten westlichen Industrienationen. Die öffentliche Hand sei prinzipiell nicht in der Lage, vernünftige unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Staatliches Handeln habe daher nur bei der wirtschaftspolitischen Rahmensetzung und bei Marktversagen zu erfolgen.
Dem setzt Mariana Mazzucato in ihrem Buch die Vorstellung eines aktiven „Unternehmerstaats“ entgegen. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive beschreibt sie Innovationen als Prozesse, die in einem fein verzweigten Netzwerk von staatlichen und privaten Akteuren ablaufen. Anhand von Beispielen aus der Computerindustrie, der Pharmabranche und der Green Tech-Industrie zeigt sie auf, wie der Staat oft die entscheide Kraft in der Entstehung der Technologien spielte, Märkte entwickelte und Innovationsrisiken übernahm, die von privaten Risikokapitalgebern gemieden wurden. Dabei beschreibt Mazzucato die Bedeutung sowohl angebots- als auch nachfrageorientierter Instrumente der Innovationspolitik und betont den Nutzen eines breit angelegten Mixes, von der Festlegung gesetzlicher Rahmenbedingungen, der langfristigen Bereitstellung von Fördergeldern bis hin zur Erzeugung direkter Nachfrage, wie im Bereich der Computerindustrie oder der Photovoltaik durch das Militär und der Raumfahrt geschehen.
Das Verkennen der Rolle des Staates in der Entwicklung vieler High Tech-Branchen erschwere die Partizipation der Allgemeinheit an der Innovationsrendite der neuen Technologien.
Viele Probleme (…) rühren daher, dass die amerikanischen Steuerzahler praktisch keine Vorstellung davon haben, wie ihre Steuern zu Innovationen und Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten beitragen. (…) Damit Wachstum „gerechter“ und „integrativer“ wird – und die Gewinne gleichmäßig verteilt werden –, müssen Ökonomen, Politiker und die Öffentlichkeit besser verstehen, welche Akteure an der grundlegenden Verteilung der Risiken beteiligt sind, ohne die es innovationsgetriebenes Wachstum nicht gibt.
Die Annahme, dass eine Innovationsförderung zwangsläufig zu einer besseren Unternehmensentwicklung führe, die höhere Steuereinnahmen brächten und die regionale wirtschaftliche Entwicklung vorantrieben, sei spätestens durch die Haushaltsschwierigkeiten des Staates Kalifornien widerlegt.
Mazzucatos Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der Allgemeinheit wird abschließend von ihr – wenn auch sehr vage – durch einen Ausblick auf alternative Instrumente in der Innovationsförderung ergänzt. Denkbar seien beispielsweise Modelle staatlicher Unternehmensbeteiligungen über sogenannte „goldene Aktien“, gewinnabhängige Darlehen nach dem Vorbild von Studienkrediten oder die Stärkung von Entwicklungsbanken.
In der Zusammenschau gibt Mazzucato mit ihrem Buch einen wichtigen Impuls zur Stärkung der Rolle des Staates in innovationspolitischen Debatten. Schwächer wird ihre Argumentation lediglich, wenn es darum geht, einzelbetriebliche Entwicklungen – wie bspw. die von Apple oder dem Windkraftanlagen-Hersteller Vestas – auf Basis staatlicher Interventionen in der Branchen zu erklären. Hier wird zu leicht über die innerbetriebliche Entwicklungen im Einzelfall hinweggegangen.
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