Am 24. September 2016 fand im Ruhr Congress in Bochum der Landesparteitag der NRW SPD statt, mein erster als Neumitglied und sozusagen ein Heimspiel! Ich konnte beobachten, wie wichtige Parteiämter (neu) besetzt wurden, wie Anträge Eingang in Landtagswahlprogramme gefunden haben und sah eine kämpferische Hannelore Kraft, die ein sehr positives Bild von der Entwicklung NRWs und Ihrer Arbeit zeichnete, auch wenn sich die Zahlen an vielen Stellen nicht mit der Lebenswirklichkeit speziell im Ruhrgebiet decken. Hier liegen Wirtschaftswachstum, Gründungsaktivität und Pro-Kopf-Einkommen unter dem Bundesdurchschnitt und weniger Schüler machen das Abitur. Ich denke dennoch, dass sozialdemokratische Lösungen an dieser Stelle am geeignetsten sind, um die beschriebenen Probleme anzugehen und bin mit dem guten Wahlergebnis für Frau Kraft (als Neuling tut man sich noch sehr schwer damit, das „Du“ und das Ansprechen nur mit dem Vornamen konsequent durchzuhalten) sehr zufrieden.
Natürlich waren die Eindrücke für einen „Neuen“ zu zahlreich, um ein wirklich vollständiges Bild der Veranstaltung zeichnen zu können – das macht das Team der NRW SPD eh viel besser. Kritischer zu der Veranstaltung ist ein Artikel des WDR. Ich möchte dennoch kurz drei Dinge anmerken:
- Ich war von der Twitter-Nutzung im Rahmen der Veranstaltung positiv überrascht. Nicht nur das offizielle Presse-Team der NRW SPD und die versammelten Medienvertreter waren aktiv, auch die angereisten Delegierten und Gäste nutzten den vorgeschlagenen Hashtag #lpt16 recht intensiv. Keyhole.co zählte bis zum jetzigen Zeitpunkt (Zwei Tage nach der Veranstaltung) immerhin 51 Tweets von 44 Nutzern, die damit rund 265.000 Follower erreichten. Insbesondere während der Rede von Frau Kraft wurde fleißig geschrieben. Also ganz gute Werte in einem Land, in dem Twitter immer noch ein Randmedium ist. Leider waren die Tweets inhaltlich in der Regel nach außen gerichtet, also an die Leute, die nicht vor Ort waren. Eine inhaltliche Diskussion innerhalb der Teilnehmer des Parteitags und den Leuten am Livestream über Reden, Anträge und Argumente fand dagegen kaum statt. Hier lässt sich der Dienst sicherlich noch besser nutzen.
- In der Rede von Frau Kraft fand sich ein Satz, den ich sehr wichtig fand.
#lpt16 #nrwbleibtneu @HanneloreKraft Die Hetzer schauen nie in die Augen derer, über die sie hetzen. Sonst könnten sie es nicht tun.
— WZ-Chefredakteur (@Tueckmantel_WZ) September 24, 2016
Doch nicht alle teilten diese Einschätzung, nicht weil sie sich auf die Seite der „besorgten Bürger“ stellen wollten, sondern weil sie glaubten, dass die aktuellen Hetzer sehr wohl in der Lage seien, weiterzumachen, nachdem sie Flüchtlinge persönlich getroffen haben. U.a. Bettina Steiner schrieb dazu beispielsweise
@Knickmeier @z_eisberg @Tueckmantel_WZ @HanneloreKraft Wenn er nur stimmen würde!
— bettina steiner (@bestchen) September 24, 2016
Ich glaube aber, man muss den Satz anders verstehen. Es geht vielmehr darum, dass Ausgrenzung und Rassismus immer nur da funktionieren kann, wo einer bestimmten anonymen Gruppe bestimmte negative Eigenschaften zugesprochen werden können. Beispiele in der Geschichte sind zahlreich und auch der vielkritisierte, aber z.T. missverstandene Artikel von Slavoj Zizek Mitte September beschrieb dies bspw. anhand von Pokemon Go. Der Kampf gegen den politischen Rechtsruck ist somit auch durch die Integration von Migranten zu führen, über die Schaffung von Möglichkeiten der Begegnung vor Ort in Arbeit, in Vereinen und ganz schlicht auf der Straße im täglichen Leben.
- Die Rede von Frederick Cordes für die Jusos wurde – zu Recht – mit viel Beifall bedacht. Wichtige Punkte wurden dort genannt, die eine stärkere soziale Ausrichtung der SPD anmahnten. Wichtigstes Thema auch: Die sogenannte „schwarze Null“, mit der wahlweise die Austeritätspolitik und Schuldenbremse oder Wolfgang Schäuble gemeint war. Die Fetischisierung der Schuldenvermeidung während Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Innovationen vernachlässigt werden, ist natürlich deutlich zu kritisieren. Es darf aber nicht vergessen werden, dass Schulden – und ja, wir haben im Moment die Möglichkeit, sehr günstig an Geld zu kommen – nur eine Möglichkeit sind, um die Finanzausstattung des Staates weiter zu verbessern. Der Hinweis auf die Lockerung der Schuldenbremse sollte daher immer auch mit der Forderung verbunden werden, endlich höhere Einkommen und Vermögen stärker besteuern zu wollen. Dazu gehört die Anhebung des Spitzensteuersatzes genauso wie die Überarbeitung des enttäuschenden Kompromisses zur Erbschaftssteuer sowie die Trockenlegung von Steueroasen für Privatleute und große Konzerne.
Einprügeln auf die Schwarze Null darf nicht dazu führen, dass wir wieder Schulden machen & uns nicht an die großen Vermögen trauen #lpt16
— Alexander Knickmeier (@Knickmeier) September 24, 2016